Nämlich: In Österreich gab es das Leistungsmerkmal der Durchwahl über den einfachen leitungswähler dem Prinzip nach bereits 1927(!) im alten Wiener Telefonsystem nach G.H. Dietl
Eine Siemens-Werbeschrift aus 1939 (F.W.Gust: „Fernsprechen und Fernsprecher“ – hoffentlich hab‘ ich es richtig aus dem Gedächtnis zitiert) spricht bereits von durchwahlfähigen Anlagen und dem Leistungsmerkmal der Durchwahl im damaligen bayrischen Reichspostgebiet – allerdings nicht so detailliert, als daß man erkennen könnte, ob dieses Leistungsmerkmal als Abgang hinter Gruppenwählerwahlstufen oder hinter Leitungswähler angeboten wurde.
In den deutschen Nachkriegssystemen war letztendlich auch eine Durchwahl in Großanlagen vorgesehen, allerdings hinter Gruppenwählern und mit der Auflage, daß die entsprechende Amtsübertragung ALLE(!) Kennzeichen eines gewöhnlichen Leitungswählers nachstellen können müsse. Und, um dies dann auch realisieren zu können, waren sowohl amtsseitig, als auch bei der angeschlossenen Nebenstellenanlage komplizierte Übertrager erforderlich. Dafür könnte man in Deutschland diese Leitungen sowohl kommend, als auch gehend betreiben, während die Durchwahl hinter dem Gruppenwähler in Österreich immer nur gerichtet, also zur Anlage hin, betrieben werden konnte; für abgehende Rufer verwendete man hier dann eigens geschaltete, gewöhnliche Einzelanschlüsse, die in den normalen Teilnehmerhundertern eingestreut waren, um eine Überlastung des Systemes zu vermeiden (Anlagenanschlüsse sind sogenannte „Vielsprecher“-Teilnehmer).
Nun muß man aber auf eine Besonderheit des deutschen Systemes hinweisen, das im vergleichbaren österreichischen Wählsystem fehlt, nämlich, daß im deutschen System auch in den Analogvermittlungen bei fernmäßiger Einstellung des Leitungswählers ein Wahlendekennzeichen gesendet wird. Dieses Wahlendekennzeichen hat – und das wissen nur die wenigsten – sogar zwei Aufgaben:
1) Kennzeichnung, daß die Verbindung bis zum gerufenen Teilnehmer hergestellt wurde (jetzt noch ohne Mitteilung, ob der Teilnehmer frei, besetzt oder gar nicht existent ist), damit können sich die für den Fernverkehr erforderlichen Register aus dem Verbindungsaufbau herausschalten und
2) (das wissen die wenigsten!!!): Das Wahlendekennzeichen unterbindet – mit Ausnahme des Auslösekriteriums jegliches Vorwärtszeichen, allerdings nur für den Normalteilnehmer!!! Das Fernamt, das über keine Einrichtungen für das Erkennen des Wahlendekennzeichens mit dieser Aufgabe verfügt, kann also, trotz empfangenen, aber nicht beachteten Wahlende-Kennzeichens weiterhin feuchtfröhlich Vorwärtskennzeichen senden und damit ein Aufschalten auf eine allfällig besetzte Verbindung hervorrufen (zu einem späteren Zeitpunkt wurde – das sei hier ergänzend angegeben – die sogenannte Ausnahmefernamtsansage mit 12 Vorwärtsimpulsen gesendet).
Der Grund, warum ich das hier so detailliert beschreibe, ist der, daß in einem System mit mehrziffriger Durchwahl hinter einem gewöhnlichen leitungswähler und ohne Wahlendekennzeichen seitens der angeschlossenen Nebenstellenanlage es definitiv kein zeitgenaues Wahlendekennzeichen geben kann und einige damit verbundene Probleme (z.B. Aufschalten/Nachrufen) anders gelöst werden müssen, aber auch damit sich die österreichische Verwaltung die Möglichkeit offen gehalten hat, in normalen Teilnehmerhundertern Anschlüsse mit Durchwahlfunktion einzustreuen.
Ein durchgehender POTS-Anschluß erfordert beim Teilnehmer vor Ort keine besonderen zusätzlichen Einrichtungen, ein gewöhnlicher Apparat reicht und dieser kann auch komplett ohne lokale Stromversorgung betrieben werden, was in speziellen Situationen (z.B. Stromausfall) recht hilfreich ist (die Argumentation, daß es Mobiltelefone gibt, lasse ich nicht wirklich gelten, erstens, weil in Ausnahmesituationen die Mobilnetze bzw. die zuständige Funkzelle überlastet sein kann und zweitens, mit gewissen „Ich-Bezug“ auf meine eigene Situation auch nicht unbedingt eine flächendeckende Grundversorgung durch die Mobilnetze gegeben sein muß). Daher einmal „pro POTS“, vorausgesetzt, es ist ein durchgehender Anschluß in Zweidrahttechnik zwischen Vermittlungsstelle und Teilnehmer.
ISDN: Nun, über ISDN, also einer weitgehend genormten „intelligenteren“ Teilnehmerschnittstelle lassen sich viele zusätzliche Dienste realisieren, abgesehen davon ist ein ISDN-Anschluß normalerweise mindestens zwei POTS-Anschlüssen, beim Primär-Anschluß sogar 30 POTS-Anschlüssen gleichzusetzen.
Leider fallen bei der NGN-Migration allerdings – zumindest hierzulande – einige, nicht ganz uninteressante ISDN-Dienste weg, nämlich u.a.:
1) Die Permanent Virtuelle Verbindung („PVC“ – nein, nicht der Kunststoff, sondern die „permanent virtual connection“), also quasi eine geschaltete Festverbindung zwischen zwei Punkten und
2) Die Nutzung des D-Kanales. Letzeres wurde für den früheren Datex-P-Dienst verwendet, ist im Prinzip heute mit den verwendeten IP-Protokollen überholt, wird (wurde) aber gerne unter dem in Österreich verwendeten Begriff „Data-Cash“ für Kreditkartenterminals und Bankomatkassen verwendet.
Nun aber kurz zurück zur Thematik Durchwahl: Wie gesagt, beim NGN ist die POTS-Durchwahl, so wie sie in Österreich bislang praktiziert wurde, aus entwicklungstechnischen Gründen nicht mehr möglich. Da aber andererseits die Durchwahl bei ISDN weiterhin angeboten wird, mußte letztendlich eine diesbezügliche Lösung erarbeitet werden, um diesen Dienst Besitzern von konventionellen Anlagen mit Durchwahl zu ermöglichen.
Stichwörter:POTS; Durchwahl, NGN